Erklärung von Serge Urbany, Abgeordneter déi Lénk, zum Fall Wickreng-Léiweng

Die Präsidentenkonferenz der Abgeordnetenkammer, im Beisein von Oberstaatsanwalt Roby Biver und im Ausschluss der politischen Gruppierungen ADR und déi Lénk, hat heute morgen beschlossen, die Abgeordnetenkammer für nächsten Mittwoch zu einer Sondersitzung einzuberufen, mit der offensichtlichen Absicht, den ehemaligen Minister Jeannot Krecké von den Vorwürfen der Erpressung weißzuwaschen, ohne dass damit die Klagen des Letzteren gegen seine Widersache vom Tisch wären.

Wir werden uns Anfang nächster Woche eingehender mit der vorgerichtlichen Untersuchung befassen, ich möchte aber jetzt schon festhalten:

– Wenn laut einer 150 Jahre alten Übergangsbestimmung der Verfassung das Anklageprivileg in Ermangelung eines entsprechenden Gesetzes bei der Abgeordnetenkammer liegen sollte (wobei allerdings unklar ist, ob das auch auf einen ehemaligen Minister zutrifft), so muss man sich die Frage stellen, weshalb dann in Rekordeile die Polizei einen Bericht erstellen konnte, offenbar auf Anfrage, zumindest aber mit der Zustimmung des Justizministers?

– Weshalb konnte Premierminister Juncker kurz vor der Eröffnung der polizeilichen Voruntersuchung noch den Hauptzeugen Rollinger zu sich bestellen und sozusagen selber „verhören“, um dann als „Zeuge“ hierzu auszusagen?

– Und, in der gleichen Vermischung der Exekutiv- und Justizgewalt:
Wieso kann ein Vertreter der dritten Gewalt an Entscheidungen der Abgeordnetenkammer teilnehmen, die die einzuschlagende Prozedur in dieser rechtlich mehr als unsicheren Prozedur vorbestimmen, d.h. die eilige Zusammenrufung des Kammerplenums nach Abschluss der Kammersession 2011-2012?

Ich möchte betonen, dass ich mich noch vor kurzem in der Kammerdebatte gegen eine „Penalisierung“ der Sache Wickreng-Léiweng ausgesprochen hatte und mich der Forderung nach einer parlamentarischen Enquêtekommission angeschlossen hatte. Es muss betont werden, dass das Parlament im Rahmen dieser Prozedur das Recht gehabt hätte, Zeugen unter Eid aussagen zu lassen und die Herausgabe sämtlicher Akten zu erzwingen, während die Polizei hier, aufgrund der freiwilligen Beteiligung aller Zeugen, auch der „verhörten“ Minister Juncker, Krecké oder Halsdorf, ermittelt hat.

Nachdem die Mehrheitsparteien damals dem Parlament sein souveränes Enquête-Recht abgesprochen und es gewissermassen an die Justiz delegiert hatten, sollen die Abgeordneten jetzt Staatsanwalt in einer offensichtlich vor allem politisch gelagerten Affäre spielen!

Wir werden nächste Woche auf die Angelegenheit zurückkommen, die grundsätzliche Fragen des Umgangs der Regierungsmehrheit mit dem Rechtsstaat aufwirft.

13.7.2012
Serge Urbany

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