DEINE FRAGE: Mindestlohn oder Grundeinkommen?

FRAGE:

Vor- und Nachnamen der Fragesteller werden anonymisiert.

Mindestloun oder Grondakommes? An wat geschidd mat der Arbecht déi gesellschaftlech wichteg ass, mee net bezuelt gëtt aus ökonomeschen, rentabilitéits Grënn? An mat den Arbechten déi gesellschaflech schädlech sin, mee héich bezuelt gin?

ANTWORT

Die Fragen berühren mehrere theoretische und praktische Themen. Zum Beispiel die Fragen nach dem Stellenwert der Arbeit, nach dem Abbau des Warencharakter der Arbeit, nach dem Stellenwert und der Anerkennung der nichtgewerblichen Arbeit usw. Zu all diesen Fragen im Zusammenhang eines bedingungslosen Grundeinkommens ist unsere interne Debatte nicht abgeschlossen – und kann es wohl auch nie endgültig sein. Das verhindert zwar nicht, bereits jetzt zu konkreten Fragen Stellung zu nehmen, aber die Antworten bleiben vorläufig.

1. In unserer Vorstellung darf auch ein bedingungsloses Grundeinkommen kein Ersatz für den Mindestlohn sein. Das BGE sollte keinesfalls dazu führen, dass die Löhne wieder (wie im 19. Jahrhundert) ganz vom „freien“ Markt geregelt würden. Also muss der Mindestlohn ebenso wie andere Regulierungen, die den Lohn betreffen (Kollektivverträge, Überstunden usw.) unbedingt beibehalten werden.

2. Die Frage der Anerkennung nichtgewerblicher Arbeit muss differenziert behandelt werden. Wir sind zum Beispiel nicht für eine Entlohnung der Hausarbeit – weil das gerade für die Frauen auf eine „Herdprämie“ hinausläuft, die die Frauen aus der Erwerbsarbeit herauslocken soll. Bürgerliches Engagement und andere Formen nichtgewerblicher Aktivität sollten auch nicht im engeren Sinn „entlohnt“ werden, das spricht nicht gegen verschiedene Formen von Entschädigung (siehe z.B. freiwillige Feuerwehr u.Ä.). Natürlich kann ein BGE solche Aktivitäten fördern. Viel zu wenig thematisiert wird aber die „Zeitsouveränität“, das heißt, die Möglichkeit, auch bei Erwerbsarbeit weitgehend über die eigene Zeit verfügen zu können. Das geht nicht ohne eine substantielle Arbeitszeitverkürzung. Auch die kann und soll ein BGE nicht ersetzen.

3. Welche Aktivitäten sind gemeint? Gesellschaftlich schädliche Aktivitäten im Finanzbereich (deren Folgen wir ja gerade erleben) verlangen eine gänzliche neue Regulierung dieses Sektors, einschließlich einer Begrenzung der Boni und Abfindungen, eine starke Besteuerung von Transaktionen und Vermögen in diesem Bereich. Aber den Arbeiter in der Rüstungs- oder Atomindustrie (die ja auch gesellschaftlich schädlich sind) kann wohl nicht mit Lohnentzug oder Ähnlichem bestrafen, im Gegenteil, sie müssen im Rahmen der notwenigen Rekonversion sozial abgesichert werden.

André Hoffmann

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