Pressekonferenz: Europa anescht denken

Pressekonferenz vom 6. Februar zum “Treaty on Stability, coordination and governance in the economic and monetary Union”

Auf dem ersten diesjährigen Gipfeltreffen der Europäischen Union haben sich vergangene Woche 25 der 27 europäischen Regierungs- und Staatschefs auf einen neuen zwischenstaatlichen Vertrag verständigt. Ziel dieses neuen Vertrags soll es sein, die sogenannte Eurokrise durch strengere haushaltspolitische Auflagen in den Griff zu bekommen. Auf der heute abgehaltenen Pressekonferenz haben drei Vertreter von déi Lénk zu diesem neuen Vertrag Stellung bezogen.

Interview mam Frank Jost, Serge Urbany & Fabienne Lentz:

 

Integrale Video vun der Pressekonferenz: 

 


1. Frank Jost

Frank Jost fasste in seinen Ausführungen die grundlegenden Neuerungen des Vertrags zusammen. Dabei stellte er fest, dass dieses neue Vertragswerk zu einem verschärften Eingriff in die Souveränität der nationalen Parlamente führt, da ihnen immer weniger Spielraum bei der Formulierung der Haushaltspolitik bleibt. Insbesondere die neue „Goldene Regel”, die nur noch ein Haushaltsdefizit von 0,5 Prozent erlaubt, macht es den nationalen Parlamenten in wirtschaftlichen Krisenzeiten unmöglich mit Hilfe einer antizyklischen Investitionspolitik gegenzusteuern.

Ausserdem zweifelte er an, ob der neue Vertrag die aktuelle Schuldenkrise, die in erster Linie durch Bankenrettungen und Eskapaden der Finanzmärkte verursacht wurde, tatsächlich durch restriktivere Haushaltspolitik gelöst werden kann. Zur Veranschaulichung dieser Fragestellung verwies er auf Spanien und Irland, die noch vor der Krise, im Gegensatz zu Deutschland oder Frankreich, die Maastricht-Kriterien erfüllten und erst durch teure Bankenrettungen in eine budgetäre Schieflage gerieten.

Schliesslich zeigte Frank Jost sich besorgt über eine neue Regelung, die es einem EU-Mitgliedsstaat erlaubt, ein anderes Mitglied beim Europäischen Gerichtshof anzuschwärzen, wenn dieses Reformen zur Haushaltskonsolidierung nicht im richtigen Mass durchführt. Eine solche Regel könnte zu immer grösserem Misstrauen zwischen den Mitgliedsstaaten der Union führen.

2. Serge Urbany

Anschliessend ging der Abgeordnete von déi Lénk, Serge Urbany, auf die Konsequenzen ein, die dieser Vertrag für Luxemburg haben wird. Auch er sieht in dem neuen Regelwerk eine ernsthafte Beschränkung der Souveränität des Parlaments, das in Zukunft nur noch die grossen Linien des Haushalts vorgeben kann, da die strengen Auflagen aus Brüssel grössere Investitionsvorhaben nur noch in beschränktem Masse möglich machen.

Die Verabschiedung eines neuen Haushaltsgesetzes im Zuge der Ratifizierung des neuen Vertrags, stellt für Serge Urbany die grösste Gefahr dar. Da die neuen haushaltspolitischen Normen in den ratifizierenden Mitgliedsstaaten, also auch in Luxemburg, in Gesetzen verankert werden sollen, verlieren die Parlamente einen wesentlichen Teil ihrer demokratisch legitimierten Souveränität. Da das Gesetz in Luxemburg wohl mit einer 2/3-Mehrheit verabschiedet wird, kann es in Zukunft auch nur mit einer solchen Mehrheit abgeschafft werden. Somit wird der Handlungsspielraum zukünftiger Regierungen extrem eingeschränkt.

Zum Schluss kritisierte Serge Urbany die CSV-LSAP Regierung, die sich selbst immer mehr zum Handlanger der Grossindustrie und Finanzwirtschaft macht. Ihr kommt der neue Vertrag wie gerufen, da sich Teile der Regierung schon seit längerem strengere Auflagen gewünscht haben. So ist bereits eine Studie in Auftrag gegeben worden, in der Vorschläge für weitere Budgetnormen ausgearbeitet werden sollen. Die bisher vorliegenden Ideen, wie etwa das Einfrieren der Staatsquote und ein weiteres Zurückfahren der Steuereinnahmen deuten darauf hin, dass der Wille besteht den Sozialstaat immer weiter abzubauen. Die Indexmanipulation und die Rentenreform können somit als erste Vorboten dieser neoliberalen Politik gedeutet werden, die es um jeden Preis zu bekämpfen gilt.

3. Fabienne Lentz

Im letzten Teil der Pressekonferenz stellte Fabienne Lentz die Vorschläge von déi Lénk zur Lösung der jetzigen Krise vor.

Um Griechenland und auch anderen Staaten in dieser schwierigen Situation zu helfen, schlagen déi Lénk mit den anderen Mitgliedern der Europäischen Linkspartei die Schaffung eines Solidaritätsfonds vor, der es den Ländern ermöglichen soll zu günstigen Zinssätzen Geld bei der EZB zu leihen, um so den extrem hohen Zinsen auf den internationalen Finanzmärkten aus dem Weg zu gehen. Um dieses Vorhaben auf die europäische Tagesordnung zu setzen, wird die Europäische Linkspartei in den kommenden Wochen mit dem Sammeln von einer Million Unterschriften beginnen, um das EU-Parlament auf diesem Weg zu zwingen, sich mit dem Vorschlag zu befassen.

Eine solche Initiative würde vor allem dem durch Sozialabbau gebeutelten griechischen Volk zu Gute kommen und käme deshalb auch einer sozialen Massnahme gleich. In diesem Zusammenhang plädiert déi Lénk auch für die Bekämpfung des Sozialdumpings. Zu diesem Zweck sollte ein europaweiter Mindestlohn eingeführt werden, der in allen Mitgliedsstaaten 65% des Medianeinkommens entsprechen soll.

Schlussendlich plädiert déi Lénk für ein weitreichendes Umdenken in einer immer stärker durch nationale Interessen dominierte Europapolitik. So gilt es über institutionelle Reformen nachzudenken, die dem Europaparlament zu mehr Macht verhelfen und den Einfluss undemokratischer Akteure wie der Kommission und dem Europäischen Rat beschränken. Denn die aktuelle Krise ist nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Vertrauenskrise einer Europäischen Union, die sich seit Jahren über die Köpfe der europäischen Bürger hinwegsetzt.

Aus diesem Grund fordert déi Lénk das Abhalten eines Referendums, um die Entscheidung über diesen neuen Stabilitätsvertrag demokratisch zu legitimieren.

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