Was nun, Herr Bettel, Frau Woltz?

Zu Gast am Land

Dreimal innerhalb eines einzigen Tages, zweimal per SMS, fragte der Regierungschef Xavier Bettel beim Oppositionsabgeordneten Gast Gibérien (ADR) nach Namen: „Bass du bereed mir d’Nimm vun denen zwee Beamten ze ginn. Et ass wichteg.” Dies nachdem bekannt wurde, dass Gybérien über eine illegale Abhöraktion beim Srel informiert worden war.

Als der Abgeordnete standhaft blieb, kündigte der Regierungs- und Geheimdienstchef an, die Srel-Direktorin würde vor Gericht aktiv werden: „D’Madamm Woltz muss am Kontext vun der ganzer Affär eng Plainte géint X maachen.” Diese schweren Vorwürfe gegen den liberalen Regierungschef, gemacht auf einer Pressekonferenz der rechtskonservativen ADR, wurden zu keinem Moment dementiert.

Sie lassen tief blicken. Denn nicht nur, dass Frau Woltz, auch noch selber frühere Magistratin, dann tatsächlich bei der Staatsanwaltschaft tätig wurde, sie hat laut Aussagen auf der gleichen Pressekonferenz später vor dem Untersuchungsrichter behauptet: „Je peux être d’accord que la presse ne rèvèle pas ses sources, mais je ne peux accepter (!) en aucun cas que le député Gibéryen ne transmet pas ses informations.” Bis zum Schluss hat die Staatsanwaltschaft sie dabei unterstützt, die nicht zum ersten Mal eine gewisse Konfusion zwischen Staatsinteressen im sehr engen Sinne und ihrem eigentlichen öffentlichen Auftrag an den Tag legte. Was wohl auch mit ihren engen Beziehungen zum Staat und zum Justizministerium zu tun hat.

Die Justiz dagegen hat dem Rechtsstaat und dem allgemeinen Interesse Rechnung getragen. Sie hat bestätigt, dass Abgeordnete, in Ausübung ihres Amtes, laut Artikel 68 der Verfassung vor Gericht insbesondere nicht von denen belangt werden können, die zu kontrollieren ihre Aufgabe ist, nämlich die Regierung: „L’immunité parlementaire couvre encore l’utilisation d’informations ayant trait au dysfonctionnement de services étatiques, fussent-elles obtenues en violation d’un secret professionnel, sans quoi un député d’opposition ne saurait jouer son rôle d’organe de contrôle” (Cour d’appel, Chambre du conseil, 28. Mai 2019).

In Folge dessen wurden sämtliche Verfolgungen gegen den Abgeordneten für null und nichtig erklärt, darunter die Untersuchungsaktion, die sein Telefon betraf.

Was nun, Herr Bettel, Frau Woltz? Das, was Sie gemacht oder geduldet haben, kraft ihres Amtes, war ein verfassungswidriger übergriff auf einen Abgeordneten unter dem Deckmantel einer Klage „gegen X”. Und das einzig und allein, um die Namen der Beamten herauszubekommen, die eine Dysfunktion in dem Dienst aufgedeckt hatten, dem Sie vorstehen, und der ja darin Tradition hat. Bezeichnenderweise haben Sie die Dysfunktion selbst, die illegale Abhöraktion, offensichtlich nicht bei der Staatsanwaltschaft denunziert!

Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?

Positiv an der ganzen Sache ist die Rolle der Justiz. Diese hatte Antoine Deltour der die Luxleaks-Affäre aufgedeckt hatte, bereits letztes Jahr freigesprochen und ihm das Statut des Whistleblower aufgrund der europäischen Menschenrechtskonvention gewährt, obschon Justizminister Félix Braz (Grüne) es bis heute verpasst hat, dieses Statut zu regeln. Nunmehr wurde dieses Statut ein zweites Mal dadurch gerettet, dass der Quellenschutz, der bereits der Presse zugestanden ist, auch auf die Abgeordneten ausgedehnt wurde.

Serge Urbany hatte als Abgeordneter von Déi Lénk dem Srel-Untersuchungsausschuss angehört

 

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